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Betroffene von Missbrauch müssen an erster Stelle stehen

Zeitschrift Sozialcourage, München, 23.08.2022

Bericht Sommer 2022 

Der Vorstand des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e.V. wertet die Stellungnahme des Münchner Kardinals Reinhard Marx zum Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl als dringend notwendiges Signal für eine ehrliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und eine Erneuerung der katholischen Kirche. „An erster Stelle müssen die Betroffenen von Missbrauch stehen“, mahnt Caritasdirektor Prof. Dr. Hermann Sollfrank im Namen des Vorstands. Die Folgen für die betroffenen Menschen reichten weit. Selbstverachtung und Scham bis hin zu Selbstverletzung und Selbsthass, Depression und Angstzustände, all dies und weitere langfristige psychische, physische und psychosomatische Folgen, ließen das alltägliche Leben vieler Menschen, die missbraucht wurden, zur Qual werden. „Für uns ist die unbedingte Orientierung an den Opfern und ihrem Leid und Unrecht, das sie erfahren haben, entscheidend. Dafür muss sich Kardinal Marx, der sich für das Leid der Opfer entschuldigt und persönliche Verfehlungen zugegeben hat, ernsthaft einsetzen“, so Sollfrank. Das Gebot der Stunde sei Einsicht und Reue. 
 
Kirche braucht einen Paradigmenwechsel 
Der Caritasverband könne Kardinal Marx in dessen Anliegen, die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs als Teil einer umfassenden Reform der Kirche nur bestärken. „Ich bin davon überzeugt, dass der notwendige Paradigmenwechsel in der Kirche Entschiedenheit verlangt“, unterstreicht Caritasdirektor Sollfrank. „Das Ausmaß der Missbrauchsfälle und der Verfehlungen durch Entscheidungsträger hat auch uns zutiefst bestürzt. Der Vertrauensschaden ist immens“, betont Sollfrank. Auch die Enttäuschung, Frustration und Scham vieler Menschen, die sich in der Kirche und in den kirchlichen Organisationen ehrenamtlich und hauptamtlich engagieren und eine positive, dem Menschen zugewandte Kirche tagtäglich leben, sitzen tief. Um Vertrauensbildung wieder zu ermöglichen, müsse die Kirche den eingeschlagenen Weg der externen Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit den Betroffenen ebenso forciert weitergehen und daraus endlich Konsequenzen für die Amtskirche ziehen. „Aufklärung geschieht nicht von selbst. Sie erfordert ein kritisches Bewusstsein, den Mut zur Übernahme von Verantwortung und die Umsetzung von notwendigen Schritten zur Behebung und zukünftigen Prävention von Missständen. Erneuerung setzt die Bereitschaft zur Veränderung voraus“, bekräftigt der Vorstandsvorsitzende des Diözesan-Caritasverbands, und die Erneuerung der Kirche, die substanziell beschädigt ist, geht alle an, das ganze Volk Gottes mit seinen vielfältigen Mitgliedern. Solange es in der Kirche an Gespräch und Austausch auf Augenhöhe, am Willen zur Neuordnung etwa von Verantwortung und Macht und an beständigen synodalen Strukturen mangelt, wird sich die Krise weiter verschärfen. Und noch mehr Menschen, auch die, die der Kirche sehr verbunden sind, wird diese Krise aus der Kirche vertreiben. 
 
Caritas setzt auf Prävention und Intervention 
Sollfrank ergänzt, dass sich die Caritas als Spitzen- und Trägerverband ihrer besonderen Verantwortung, mit Missbrauch jeglicher Art (Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt, Grenzverletzungen) umzugehen, sehr bewusst ist. Im Verband gelten eine Null-Toleranz-Politik und das Gebot der Transparenz. „Der Schutz der uns anvertrauten und der bei uns tätigen Menschen, ihrer Würde und ihrer Unversehrtheit ist und bleibt Grundpfeiler unserer Arbeit. Aktiv fördern wir eine transparente und offene Atmosphäre in unseren Einrichtungen und Diensten, eine „Kultur des Hinschauens“ und eine Kultur des Handelns, um Missbrauch zu verhindern“, betont der Caritasdirektor und verweist darauf, dass die katholischen Sozialverbände in den vergangenen Jahren die strukturelle Arbeit zu Prävention und Intervention kontinuierlich erweitert haben. „Zentral hierbei sind unsere Präventionsbeauftragten und unsere Rahmenordnungen zu Intervention und Prävention“, so Sollfrank abschließend. 
 
Text Bettina Bäumlisberger 

von Zeitschrift Sozialcourage