Online Beratung
Kontakt

Personalkollaps und Wohnungsnot bekämpfen!

Caritas München und Oberbayern | Aktuelles und Themen, München, 11.07.2023

Drei Monate vor der Landtagswahl in Bayern haben der Diözesan-Caritasverband und der Katholische Männerfürsorgeverein München e.V. (kmfv) in einem Positionspapier ihre sozialpolitischen Forderungen vorgestellt. Von Parteien und politischen Vertretern/-innen verlangen sie, dasssoziale Aspekte, Solidarität und Mitmenschlichkeit im Wahlkampf eine größere Rolle spielen. Explodierende Lebensmittel- und Energiekosten und in der Folge steigende Armut stellen Träger und Klienten/-innen in allen Bereichen der Sozialen Arbeit vor große Herausforderungen. Politischen Handlungsbedarf sehen die beiden Sozialverbände vor allem im Kampf gegen den Personalnotstand, einen Sparkurs im Sozialen Sektor und die ansteigende Wohnungsnot in München.

Bessere finanzielle und personelle Ausstattung!

„Die Soziale Arbeit, der Gesundheits- und Pflegesektor und der Erziehungs- und Bildungsbereich bewegen sich auf eine Dauerkrise zu. Fach- und Arbeitskräftemangel, schlechte Ausbildungs- und Nachwuchssituation sowie mangelnde Finanzierung lauten die Diagnosen. Die Lage ist ernst“, konstatierte der Caritas-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Hermann Sollfrank. Damit Soziale Arbeit Probleme und Krisen präventiv und reaktiv lösen könne, müsse sie angemessen ausgestattet sein - personell wie finanziell. „Dies steht gegenwärtig an vielen Stellen zur Disposition. Diese Unwucht kann den sozialen Frieden in unserem Land, in unserem Freistaat gefährden, und damit auch unsere politische und wirtschaftliche Stabilität“, warnte Sollfrank. „Wirtschaftliche Prosperität funktioniert nicht ohne soziale Fürsorge, nicht ohne Chancen auf Bildung oder Versorgung und Begleitung Bedürftiger. Umgekehrt hat Sozialwirtschaft nicht nur einen sozialstaatlichen Auftrag zu erfüllen, sondern ist in ihrer Wirkung eine veritable wirtschaftliche Größe. Wirtschaft und Sozialwirtschaft greifen ineinander. Müssen Kitas und Seniorenheime wegen Personalmangels schließen, werden Beschäftigte in allen Wirtschaftsbereichen kürzertreten, weil sie sich dann um ihre Kinder und Eltern kümmern müssen.“

Priorität für die Wohnraumversorgung!

Ludwig Mittermeier, Vorstand des kmfv, dessen Verein sich um wohnungs- und obdachlose Menschen kümmert, warnte vor weiter ansteigenden Zahlen in München und ganz Oberbayern.Inzwischen seien auch Menschen in Arbeit, Rentnerinnen und Rentner, Familien und Kinder von Wohnungslosigkeit betroffen. „Aktuell sind in Bayern mehr als 20.000 Menschen akut wohnungslos.“ Darunter befänden sich allein in Niederbayern, Oberbayern und Schwaben über 3.500 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Viele stünden an der Schwelle wohnungslos zu werden, da sie trotz Vollbeschäftigung keinen Wohnraum mehr fänden. „Die Versorgung mit geeignetem und vor allem bezahlbarem Wohnraum ist die soziale Frage der Gegenwart, an der sich auch die Zukunft unserer Gesellschaft und Demokratie mitentscheidet. Daher muss die Wohnraumversorgung auf allen politischen Ebenen Priorität und eine höhere Dynamik erhalten sowie eine neue Bodenordnung vorangetrieben werden“, forderte Mittermeier. Kirche und Verbände der freien Wohlfahrtspflege leisteten ihren Beitrag, indem sie – wo möglich – selbst bezahlbaren Wohnraum schafften oder Wohnungen in ihrem Bestand verstärkt an von Armut Betroffene vergäben.

Seit zehn Jahren chancenlos in München

Christian L., einer von 67 Bewohnern des Clearinghauses, einer Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins in München, schilderte, warum er wohnungslos geworden ist und wie schwierig seine Suche nach einem Zuhause in der bayerischen Landeshauptstadt ist. Der 54-Jährige lebt seit 2019 im Clearinghaus. „Über Obdachlosigkeit wird oft schlecht gesprochen, aber es kann schneller gehen als man denkt. Bei mir begann es mit meiner Scheidung im Jahr 2014 und dem darauffolgenden Arbeitsverlust als Selbstständiger in der Gastronomie.“ Seit zehn Jahren bemühe er sich um eine Wohnung über das Amt oder auf dem freien Markt. Vergeblich. Fünf Jahre habe er auf der Straße gelebt. Die Folge seien psychische Erkrankungen und Rückenprobleme gewesen. 2018 habe er eine Schulung zum psychologischen Berater begonnen und abgeschlossen, ein Jahr lang von der Straße aus. Inzwischen bewerbe er sich ständig um Wohnungen und um Arbeit, bislang leider vergeblich. Christian L. lebt von Bürgergeld und erklärt, das Amt würde bis zu 1.000 Euro warm für die Miete übernehmen. „Dennoch passiert einfach Nichts. Es ist im Laufe der Zeit so, dass man sich nur noch als Vorgangsnummer fühlt. Es interessiert sich niemand für meine Situation. Ich bin nur noch Nummer 10085xxx.“

Qualifizierung von Quereinsteigern und Migranten/-innen!

Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier schlug Alarm wegen der zunehmenden Schwierigkeiten qualifiziertes Personal zu finden: „Für alle Einrichtungen werden Arbeitskräfte gesucht: Pflegefachhelfer/-in, Pflegefachmann und -frau, Pflegedienstleitungen, aber auch Haustechnikerinnen oder Informatikerinnen, Jugendsozialarbeiter, Alltagshelfer oder Küchenhilfen. Doch der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Mittelfristig droht der Zusammenbruch des Pflegesystems, wenn wir politisch nicht heute gegensteuern.“ Dringender Handlungsbedarf bestehe auch in der Kinder- und Jugendhilfe. Auch hier drohe der Kollaps des Systems. Leider würden Kitas nicht als Bildungseinrichtungen wahrgenommen. Daher verlangte Stark-Angermeier: „Wir müssen mehr Menschen schulen und qualifizieren. Wir müssen Hürden für Quereinsteiger/-innen abbauen. Wir müssen mehr Menschen für soziale Berufe interessieren und wir müssen vor allem auch Menschen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit hier ausbilden.“

Kein Sparkurs in der systemrelevanten sozialen Infrastruktur!

Vorstand Thomas Schwarz erläuterte, dass explodierende Lebensmittel-, Sach- und Energiekosten nicht nur Klientinnen und Klienten vor immer größere Herausforderungen stellten, sondern auch Organisationen in allen Bereichen der Sozialen Arbeit. „Hohe, nicht refinanzierte Inflationsraten und massive Kürzungen, wie aktuell durch die Berliner Ampelregierung bei Mitteln für die Migrationsberatung geschehen, gefährden die systemrelevante soziale Infrastruktur. Stehen die Räder der Sozialwirtschaft still, dann steht auch die Wirtschaft still. Wir fordern daher zeitnahe und bedarfsorientierte finanzielle Anpassungen sowie eine auskömmliche und dauerhafte Projektfinanzierung bis hin zur Vollfinanzierung.“ Schließlich übernähmen die Sozialverbände subsidiär viele staatliche Aufgaben. Auch im Bereich „Inklusion und Teilhabe“ dürfe es keine Sparmodelle geben. Politische Weitsicht sei besonders bei der auskömmlichen Finanzierung der ganztägigen Betreuungsangebote an den Grundschulen gefordert. Der Rechtsanspruch gelte ab 2026.

Größter sozialer Arbeitgeber in Oberbayern!

Der Diözesan-Caritasverband (DiCV) ist der größte soziale Arbeitgeber in München und Oberbayern: Mehr als 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen, pflegen und fördern im Trägerverband in über 360 Einrichtungen Menschen aller Altersgruppen. Allein im Pflegebereich arbeiten rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie versorgen täglich bis zu 6.000 Menschen.Zugleich ist der DiCV als Spitzenverband für rund 100 katholische Fachverbände, wie zum Beispiel den kmfv, und angeschlossene Träger zuständig. Sie sind in der Kinder- und Jugendhilfe, der Pflege, der Eingliederungshilfe und vielen anderen Bereichen der Sozialen Arbeit tätig. Insgesamt arbeiten rund 30.000 Beschäftigte beim Diözesan-Caritasverband München-Freising und den angeschlossenen Trägern. (mmr)

BU: v.li. Gabriele Stark-Angermeier, Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Christian L., Thomas Schwarz, Ludwig Mittermeier,

Foto: Caritas München-Freising/Dillmeier

von Marion Müller-Ranetsberger | Pressestelle

Downloads

113,71 KB
Caritas Pressekonferenz zur Landtagswahl 2023 - Pressemitteilung
113,71 KB
604,56 KB
Caritas Positionspapier 2023 Offensiven gegen Personalmangel und Wohnungsnot
604,56 KB
96,43 KB
Caritas Pressekonferenz zur Landtagswahl 2023 - Statement Diözesan-Caritasdirektor Prof. Dr. Hermann Sollfrank
96,43 KB
197,95 KB
Caritas Pressekonferenz zur Landtagswahl 2023 - Statement KMFV-Vorstand Ludwig Mittermeier
197,95 KB
158,11 KB
Caritas Pressekonferenz zur Landtagswahl 2023 - Statement Caritasvorständin Gabriele Stark-Angermeier
158,11 KB
156,68 KB
Caritas Pressekonferenz zur Landtagswahl 2023 - Statement Caritasvorstand Thomas Schwarz
156,68 KB
7,24 MB
Bild zur Pressemitteilung "Personalkollaps und Wohnungsnot bekämpfen"
7,24 MB