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Schauspielerin Elisabeth Rass | © Caritasverband München und Oberbayern | Rätz

„Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“

Zeitschrift Sozialcourage, München, 01.11.2021

Sozialcourage 04/2021 - Winter

„Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“

Schauspielerin Elisabeth Rass hat in der Corona-Pandemie das Ehrenamt entdeckt. Sie wirkt ernst, wenn sie darüber nachdenkt, was sie bewogen hat, sich zu engagieren: „Ich möchte Menschen begegnen.“ Gemeinsam mit Rass durften wir Rollstuhlfahrerin Renate besuchen. Beide treffen sich inzwischen regelmäßig. „Grüß Gott, kommen Sie nur herein!“ Ein wenig schüchtern und mit erwartungsvollen Augen begrüßt uns Renate in ihrem Rollstuhl im geräumigen Flur ihrer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im Münchner Stadtteil Haidhausen. Sie hat Kaffee gekocht.

„Grüß Gott, kommen Sie nur herein!“ Ein wenig schüchtern und mit erwartungsvollen Augen begrüßt uns Renate in ihrem Rollstuhl im geräumigen Flur ihrer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im Münchner Stadtteil Haidhausen. Sie hat Kaffee gekocht. Die Münchner Schauspielerin Elisabeth Rass umarmt die zarte Frau im Rollstuhl. Regelmäßig besucht sie seit Dezember 2020 Renate, die von Geburt an spastische Lähmungen hat und allein wohnt. „Ich weiß, wie es ist, einsam zu sein“, erklärt die 63-Jährige. Sie sei in ihrem Leben oft umgezogen. Zum Ehrenamt kam sie während des Lockdowns, als sie kaum Engagements und viel freie Zeit hatte. Den Kontakt der beiden hatte deren gemeinsame Osteopathie-Praxis vermittelt. „Wir sind inzwischen Freundinnen geworden“, sagen die zwei ungleichen Damen. Sie kochen gern zusammen und haben sich viel zu erzählen. „Elisabeth ist für mich ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“, findet Renate.
 
Empathie und christliche Werte
Elisabeth Rass wirkt ernst, wenn sie darüber nachdenkt, was sie bewogen hat, sich zu engagieren: „Ich möchte Menschen begegnen.“ Nächstenliebe bedeute für sie, empathisch zu sein. „Wir sind soziale Wesen, unsere Gemeinschaft lebt davon.“ Mit zwei Geschwistern zweisprachig in Frankreich aufgewachsen, stand sie schon während der Schauspielausbildung in Paris mit gerade mal 19 Jahren auf der Bühne. Ihre Mutter kam als junge Frau als Au-Pair von Berlin nach Paris, hat dort den Vater kennengelernt und ist geblieben. Rass ist in TV-Serien wie Soko München ebenso zu sehen, wie im „Tourneetheater – Bayerische Komödie“ als Miss Marple. Als getaufte Christin sei sie heute nicht mehr kirchlich gebunden, aber den christlichen Werten verbunden.
 
Schauspielerin unterstützt mehrere Projekte
So vielfältig ihre beruflichen Einsatzfelder sind, ist es auch ihr Ehrenamt. Im Frühjahr habe sie einmal pro Woche junge Geflüchtete in Deutsch als Fremdsprache in einer Einrichtung an der Hochstraße unterrichtet. Wann immer es ihre Freizeit zulasse, helfe sie in der Münchner Kirche St. Anton und gebe warme Mahlzeiten an Senioren oder Wohnungslose aus. „Ich finde es super, dass man keinen Nachweis braucht.“ Damit es gerecht zugeht, bekomme jede Person nur ein Essen. Zur Antoniusküche kam sie über einen Aufruf der Caritas. Sind die Gäste wählerisch, erklärt sie resolut: „Wir sind kein Restaurant.“ Es stimme sie nachdenklich, dass es bei vielen die einzige Mahlzeit am Tag sei. „Es landet so viel Essen im Müll.“
 
Solidarität mit Geflüchteten wichtig
Das Ehrenamt sei noch neu für sie, gespendet habe sie schon immer: für Soziales, den Tierschutz oder die Menschenrechte. „Meine Mutter hat mir das vorgelebt“, erzählt die lebhafte Frau mit den wachen blauen Augen. „Man verliert es aus dem Blick, wenn man in normalen Verhältnissen lebt.“ Dabei sei die Armut nach dem Krieg noch gar nicht so lange her. In dem Film „Der dunkle Reigen“ spielt sie die Rolle der vertriebenen Jadwiga, die kurz nach dem ersten Weltkrieg ein Auskommen sucht. „Diese Armut steckt noch vielen Leuten in den Knochen“, weiß sie. „Das ist nichts anderes, was jetzt gerade in der Welt passiert.“ Sie ist überzeugt, dass die Festung Europa nicht aufrechterhalten werden könne. „Wir müssen Solidarität mit Geflüchteten zeigen, wir sind so ein reiches Land.“

Freundschaft bleibt 
Von Februar bis Juni stand sie viele Male an der Ausgabe in St. Anton. Eine wertvolle Erfahrung für sie. Nah dran an den Menschen. Jetzt habe sie wieder mehr berufliche Engagements und sei für die Antoniusküche nicht mehr so gut einplanbar. Doch ihre Freundin Renate wird sie weiter besuchen.
 
Text: Manuela Dillmeier

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von Zeitschrift Sozialcourage